Tanya Chutkan leitet das Verfahren gegen Donald Trump. Sie hat sich als Verteidigerin und Richterin für Chancengleichheit und Diversität eingesetzt – und sich schon einige Male gegen Trumps Pläne gestellt.
Max Sprick
3 min
Die Frau, die bisher jeden ihrer Prozesse um den Sturm auf das Capitol mit einer Gefängnisstrafe für den Angeklagten beendet hat, wird auch über den mutmasslichen Anführer der Randalierer richten: Tanya Chutkan leitet den Prozess gegen Donald Trump, der in Washington angeklagt ist, weil er als amtierender Präsident alles darangesetzt haben soll, im Amt zu bleiben. Obwohl er die Wahl verloren hatte.
Wer ist die Frau, die einen historischen Präzedenzfall schaffen wird? Schliesslich ist noch nie zuvor ein ehemaliger Präsident der USA mit solchen Schritten der Justiz konfrontiert worden.
«Für viele Leute passe ich in viele Schubladen: Migrantin, Frau, Schwarze, Asiatin»
Tanya Chutkan, 61 Jahre alt und geboren auf Jamaica, schreibt über sich selbst auf der Homepage der amerikanischen Bundesjustiz: «Für viele Leute passe ich in viele Schubladen: Migrantin, Frau, Schwarze, Asiatin. Qualifikationen werden immer wieder kritisiert, man muss ein dickes Fell entwickeln.»
Beides erwarb Chutkan zunächst an der George Washington University in Washington, wo sie Jura studierte. Ihren Doktortitel erhielt sie später an der University of Pennsylvania. Nach einer erfolgreichen Karriere, vor allem als Pflichtverteidigerin, berief Trumps Vorgänger als Präsident, Barack Obama, Chutkan an das Bezirksgericht für den District of Columbia. Sie wurde ohne Gegenstimme vom Senat bestätigt.
«Ich habe hart gearbeitet, um dorthin zu gelangen, wo ich jetzt bin, und habe die Möglichkeiten genutzt, die sich mir boten», schreibt Chutkan weiter. «Aber ich erkenne das Privileg und das Glück, das ich hatte. Viele Menschen haben nicht die gleichen Chancen.»
Schon als Anwältin und auch als Richterin setzte sie sich für Chancengleichheit und Diversität ein, sie ist bekannt für Fälle, in denen es um Bürgerrechte, soziale Gerechtigkeit und Angelegenheiten von öffentlicher Bedeutung geht. Aber auch für Verfahren um «schwere Straftaten wie Tötung, sexuelle Übergriffe und Entführung», sagte Chutkan vor ein paar Jahren. Als sie 2014 ans Bundesgericht wechselte, sagte sie, dass gute Richter «aufgeschlossen, fair und vorbereitet» sein müssten.
2019 blockierte Chutkan den Plan der Trump-Regierung, die Todesstrafe auf amerikanischer Bundesebene wieder zu vollstrecken. Damit verhinderte sie die Hinrichtung von vier Männern.
«Es dient nicht dem öffentlichen Interesse, Einzelpersonen hinzurichten, bevor sie die Möglichkeit hatten, die Rechtmässigkeit ihrer Hinrichtungen in legitimen Verfahren anzufechten», begründete Chutkan ihr Urteil. Der Öffentlichkeit nutze es nicht, Verfahren abzukürzen, sondern eher, «wenn man versucht, sicherzustellen, dass die schwerste Strafe rechtmässig verhängt wird.»
«Präsidenten sind keine Könige»
Sie habe «in mehreren wichtigen Fällen in eine progressive Richtung geurteilt», schrieb kürzlich die «New York Times». So entschied Chutkan im Jahr 2017, dass ein amerikanischer Staatsbürger, der im Irak als mutmassliches Mitglied des IS in Militärhaft festgehalten wurde, trotz Einwänden der Trump-Regierung ein Recht auf einen Anwalt habe. Chutkan hinderte die gleiche Administration auch daran, schwangeren Teenagern ohne Papieren den Zugang zu Abtreibungen zu verwehren.
Den grössten Fall ihrer Karriere verdankt sie nun einem Zufallsgenerator, der ihr die insgesamt dritte Anklage gegen Trump zugewiesen hat. Beide werden sich vor Gericht nicht zum ersten Mal begegnen. Im Jahr 2021 war, ebenfalls per Zufallsgenerator, eine Beschwerde Trumps bei Chutkan gelandet. Dieser hatte verhindern wollen, dass Unterlagen aus seinen letzten Tagen im Weissen Haus einem Untersuchungsausschuss des Kongresses übermittelt werden. Es handelte sich um Dokumente, die Hinweise dafür liefern könnten, in welcher Weise Trump für den Sturm auf das Capitol am 6.Januar 2021 verantwortlich war.
Chutkan wies die Beschwerde ab. In ihrer Begründung schrieb sie zwei Sätze, an die Trump sich nun wieder erinnern dürfte: «Präsidenten sind keine Könige. Und der Angeklagte ist nicht Präsident.»
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